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Aktuelles aus dem Erbrecht

Aktuelles aus dem Erbrecht

Enkel und Urenkel als "Abkömmlinge" bei der Erbeinsetzung
Werden in einem Ehegattentestament für den Schlusserbfall "die Abkömmlinge" zu Erben eingesetzt, erfasst diese Formulierung nicht nur die von den testierenden Ehegatten unmittelbar abstammenden Kinder, sondern auch die Enkel.
In einem vom Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 11.09.2019, entschiedenen Fall hatten die Eheleute, wie typisch für ein sogenanntes "Berliner Testament", sich zunächst gegenseitig, dann die "gemeinschaftlichen Abkömmlinge" zu gleichen Teilen als Schlusserben eingesetzt.

Hinweis:
Typischerweise werden in einem sogenannten "Berliner Testament" als Schlusserben je nach Wortwahl die "Kinder" oder "Abkömmlinge" eingesetzt. In der Praxis wird bei der Formulierungswahl aber oft nicht hinreichend auf den Unterschied geachtet. "Kinder" und "Abkömmlinge" sind erbrechtlich gesehen nicht dasselbe; der Begriff "Abkömmlinge" geht in der Regel weiter als der Begriff "Kinder" und umfasst eben grundsätzlich auch Enkel oder Urenkel. Im Rahmen der Testamentsgestaltung muss daher auf den Willen der Testierenden einerseits, die Wortwahl andererseits besonders Wert gelegt werden.

 

Kein Gutachten über Testierunfähigkeit bei fehlenden Indizien
Ergeben sich für eine Testierunfähigkeit des Erblassers unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel keinerlei Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit, kann das Nachlassgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierfähigkeit absehen. Das Nachlassgericht muss in der Regel nur bei konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers klären, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit gegeben sein können. Ergibt diese Prüfung, dass Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, ist ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ergeben jedoch die festgestellten Umstände keinerlei Anhalts- oder Anknüpfungstatsachen für eine Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, so muss das Gutachten nicht erhoben werden (vergleiche Amtsgericht Rosenheim, Beschluss vom 21.01.2019).

 

Keine Kettenschenkung trotz sofortiger Immobilienweitergabe an Enkel

Mit einer typischen schenkungssteuerrechtlichen Problematik im Wege der vorweggenommenen Erbfolge befasst sich das Finanzgericht Hamburg im Urteil vom 20.08.2019. Die schenkungssteuerrechtliche Problematik der sog. Kettenschenkung im Zuge der Planung vorweggenommener Erbfolge stellt sich regelmäßig dann, wenn beispielsweise

- im Verhältnis der Beteiligten niedrigere (ungünstigere) Schenkungssteuerfreibeträge vorliegen, so z.B. im Verhältnis Großelternteil - Enkel nur € 200.000,00 (dagegen im Verhältnis Elternteil -Kind € 400.000,00 Schenkungssteuerfreibetrag),

- oder der Schenkungssteuerfreibetrag dadurch ausgeschöpft würde, dass der zu verschenkende Gegenstand, z.B. Immobilie, nur im Alleineigentum eines Elternteiles, nicht im Gemeinschaftseigentum beider Elternteile steht, also nur ein Schenkungssteuerfreibetrag ausgeschöpft werden kann.

Beträgt im ersten Beispiel der Wert der Schenkung im Verhältnis zwischen dem Großelternteil und dem Enkelkind € 300.000,00, unterläge der den Schenkungssteuerfreibetrag übersteigende Wert der Schenkung von € 100.000,00 der Schenkungssteuer nach dem Erbschaftssteuergesetz. Überträgt im zweiten Beispiel ein Elternteil, in dessen Alleineigentum eine Immobilie im schenkungssteuerlichen Wert von € 600.000,00 steht, direkt auf ein gemeinschaftliches Kind, so unterläge auch hier nach Abzug eines Schenkungssteuerfreibetrages im Verhältnis Elternteil-Kind von € 400.000,00 der überschießende Wert von € 200.000,00 der Schenkungssteuer.

In diesen Fällen kann es in Betracht kommen, zivilrechtlich zwei Schenkungen nacheinander durchzuführen:

Im ersten Beispiel würde dies bedeuten, dass der zu verschenkende Gegenstand vom Großteilelternteil zunächst an das eigene Kind übertragen, dann von diesem zu einem späteren Zeitpunkt an das Enkelkind, also dessen eigenes Kind (weiter-) übertragen wird. In dieser Konstellation besteht im Verhältnis zwischen Großelternteil und dem eigenen Kind ein Schenkungssteuerfreibetrag von € 400.000,00, im Verhältnis zwischen dem Elternteil wiederum zum eigenen Kind (dem Enkelkind des Großelternteiles) wiederum ein Schenkungssteuerfreibetrag von € 400.000,00. Die Übertragungen können also insgesamt schenkungssteuerfrei erfolgen.

Im zweiten Beispiel käme in Betracht, dass der Elternteil aus seinem Alleineigentum zunächst einen hälftigen Miteigentumsanteil an den Ehepartner überträgt (hier: Schenkungssteuerfreibetrag von € 500.000,00), zu einem späteren Zeitpunkt beide Elternteile ihrerseits nun jeweils hälftiges Miteigentum auf das Kind übertragen, wobei beide Elternteile jeweils einen Schenkungssteuerfreibetrag von € 400.000,00 ausnutzen könnten.

In beiden Beispielen sind selbstverständlich Vorempfänge zu berücksichtigen.

In all diesen Fällen ist stets bei der Planung zu berücksichtigen, dass dieser Vorgehensweise das Finanzamt mit dem Argument einer sogenannten unzulässigen Kettenschenkung entgegnen könnte. Wäre dies der Fall, würde dies zu einer erheblichen Schenkungssteuerbelastung führen können.

Entscheidend ist hier, dass im ersten Schenkungsvertrag bzw. -vorgang keine Verpflichtung zur Weiterschenkung an den Dritten vereinbart ist, mithin eine freie Verfügungsbefugnis des zunächst Bedachten vorbehalten bleibt. In der Beratungspraxis ist daher darauf zu achten, dass nicht bereits im ersten Schenkungsvertrag eine Verpflichtung des zunächst Beschenkten zur Weitergabe aufgenommen wird.

 

Testierunfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit für zeitgleiche Vollmacht

Wird Testierunfähigkeit für den Zeitpunkt der Errichtung eines (notariellen) Testaments festgestellt, heißt das im Regelfall, dass eine an demselben Tag ausgestellte (notarielle) Vorsorgevollmacht ebenfalls nichtig ist.

In einem vom Landgericht München II entschiedenen Fall (Beschluss vom 24.07.2019) errichtete der Erblasser am gleichen Tag eine notarielle Vorsorgevollmacht und ein notarielles Testament. In einem späteren gerichtlichen Verfahren wurde festgestellt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig war, so dass gesetzliche Erbfolge eintrat. Zu Lebzeiten hatten ferner Dritte von dem Erblasser, der insoweit aufgrund der notariellen Vollmacht durch einen Bevollmächtigten bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags vertreten war, ein Grundstück erworben. Das Landgericht München II geht davon aus, dass die Vollmacht für den Grundstückskaufvertrag unwirksam ist. Der Erwerb des Grundstückes erfolgte damit von einem Geschäftsunfähigen, da er nicht beim Grundstückskaufvertrag durch den Bevollmächtigten wirksam vertreten werden konnte.


Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zum Beweis der Testamentsurheberschaft

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gelingt bei einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (90 %) oder einer hohen Wahrscheinlichkeit (95 %) der Beweis der
Urheberschaft eines Testaments; eine Wahrscheinlichkeit von 75 % genügt dagegen nicht.

In dem vom OLG Rostock, Beschluss vom 31.08.2020, entschiedenen Fall hatte die
Erblasserin ein handschriftliches Testament errichtet. Die enterbte Tochter der Erblasserin
wandte ein, dass der Testamentstext und die Unterschrift nicht von der Hand der Erblasserin
stammen würden. Seitens des Gerichtes wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Dies kam zu dem Ergebnis, dass der Text mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 bis 99 % und
die Unterschrift mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 bis 95 % von der Erblasserin stammten.
Es wurde darauf hingewiesen, dass jede Schrift mehr oder weniger Abweichungen aufweisen
kann. Die vorliegenden Abweichungen hätten sich jedoch im Rahmen einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit bewegt.


Ein Pflichtteilsberechtigter hat das Recht auf Grundbucheinsicht

Dem Pflichtteilsberechtigten steht nach Eintritt des Erbfalls das Recht auf Einsichtnahme in
das Grundbuch des Erblassers zu. (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.08.2020).


Behandlung zwei zeitlich aufeinanderfolgender Testamente

Immer wieder ist es in der Praxis festzustellen, dass der spätere Erblasser in zeitlichen
Abständen, zum Teil wiederholt, neue, meist handschriftliche Testamente verfasst. Dabei stellt
sich im Erbfall dann die Frage, ob (nur) das zeitlich neueste Testament gilt oder ob
verschiedene Anordnungen (nebeneinander) Geltung haben können. Zunächst ist zu prüfen,
ob mit dem neuesten Testament frühere Testamente ausdrücklich widerrufen wurden. Ist dies
der Fall, gilt nur das zeitlich neueste Testament. Ist dies nicht der Fall, muss geprüft werden,
ob die früheren Anordnungen mit zeitlich danach getroffenen Anordnungen im Widerspruch
stehen. Dies ist der Fall, wenn sich die Anordnungen des Erblassers gegenseitig
ausschließen. Auch dann gilt die frühere Verfügung (insoweit) als widerrufen. Sind die zeitlich
unterschiedlichen Verfügungen jedoch inhaltlich miteinander vereinbar, muss mittels
Auswägung der Erblasserwille erforscht werden.

In der Testamentspraxis ist also darauf zu achten, dass in neuen Verfügungen klarstellend
geregelt ist, ob frühere erblichen Verfügungen aufgehoben oder teilweise erhalten bleiben
sollen. Anderenfalls kann es in der Praxis zu erheblichen Abgrenzungs- bzw.
Auslegungsproblemen kommen (vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.09.2020).


Der Pflichtteil wird durch Vermächtnisse nicht geschmälert

Häufig beinhalten erbrechtliche Regelungen sowohl die Bestimmung eines oder mehrerer
Erben, gleichzeitig aber auch die Anordnung von Vermächtnissen, z.B. über Wohnung,
Geldvermögen etc.. In dem vom OLG Koblenz (Beschluss vom 03.07.2020) entschiedenen
Fall ergab sich durch die Anordnung von Vermächtnissen sogar rechnerisch ein negativer
Nachlasswert. Der Erbe wandte daher gegenüber den Pflichtteilsberechtigten ein, dass ein
Pflichtteilsanspruch nicht gegeben sei, da der Nachlass durch die Vermächtnisse aufgezehrt
würde. Über diesen Umstand bestehen jedoch, wie im entschiedenen Fall, häufig
Fehlvorstellungen. Das Gericht hat daher – wie zu erwarten – deutlich herausgestellt, dass die
angeordneten Vermächtnisse nicht dazu führen, den Pflichtteilsanspruch der Höhe nach zu
reduzieren. Die Taktik des (späteren) Erblassers, den Nachlass durch Vermächtnisse so stark
zu belasten, dass ein Pflichtteilsberechtigter wirtschaftlich „ausgebootet“ wird, geht daher nicht auf.


Verjährter Pflichtteilsanspruch kann nachträglich nicht als
Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftssteuer abgesetzt werden!

Eine für die Praxis sehr wichtige Entscheidung ist durch den Bundesfinanzhof mit Urteil vom
05.02.2020 ergangen. Diese Entscheidung ist insbesondere bei der in der Praxis häufig
vorkommenden erbrechtlichen Gestaltung eines sogenannten „Berliner Testaments“ von
Relevanz. Beim sogenannten Berliner Testament setzen sich die Eheleute zunächst
gegenseitig zu Erben ein und die (gemeinschaftlichen) Kinder zu Schlusserben. Die Kinder
wären beim Erbfall des Erstversterbenden Elternteils grundsätzlich pflichtteilsberechtigt.
Häufig wird jedoch der Pflichtteil, auch im Einvernehmen mit dem überlebenden Elternteil,
nicht geltend gemacht. Nun verjähren Pflichtteilsansprüche innerhalb von drei Jahren (zum
Jahresende) nach dem Erbfall.

Es stellt sich dann die Frage, ob beim zweiten Erbfall diese Pflichtteilsansprüche, die zunächst
innerhalb der Verjährungsfrist nicht gegenüber dem überlebenden Elternteil geltend gemacht
wurden, noch nachträglich ins Feld geführt werden können, um als Nachlassverbindlichkeit
mögliche Erbschaftssteuerbelastungen aus dem zweiten Erbfall des letztversterbenden
Elternteils zu reduzieren. Hierzu hat der BFH im Urteil vom 05.02.2020 entschieden, dass dies
für verjährte Pflichtteilsansprüche nachträglich nicht mehr steuerlich zu beachten ist.

Vor diesem Hintergrund ist unter erbschaftssteuerlichem Gesichtspunkt bei der Gestaltung von
Testamten und Erbverträgen zu prüfen, ob und inwieweit im Testament von den Eheleuten
Regelungen getroffen werden, die Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche abzuändern, um
den Kindern beim zweiten Erbfall die Möglichkeit offen zu lassen, die Pflichtteilsansprüche
nach dem ersten Erbfall noch geltend zu machen.
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